Meine Top 3: Modelle der agilen Transformation für die ganze Organisation

Lisa Schreyer |
12. Juli 2023 |

Nach der Veröffentlichung meiner Podcastfolge im fme Podcast aus dem Metaverse erhielt ich einige Nachrichten über LinkedIn:

»(…) schön zu hören, dass der Einsatz von Agilität nicht nur auf dem Papier, sondern auch ganz konkret im eigenen Arbeitsalltag funktionieren kann«

oder

»(…) klingt total spannend, aber wo setze ich mit meinem Team an?«.

Zwei Zitate aus zwei Wirkungsbereichen der Agilität. Zum einen ist da die individuelle Ebene: der eigene Arbeitsalltag, das eigene Mindset, die eigene Haltung. Ich selbst entscheide, ob und wo ich agiler werden möchte. Welche Methoden kommen für mich in Betracht? Welche agilen Werte bilden die Grundlage meines Handelns im Arbeitsalltag?

Komplexer wird es mit der anderen, interpersonellen Ebene: dem Team. Sie setzt eine Auseinandersetzung mit weiteren Personen und ihren Gedanken, Herausforderungen und Haltungen voraus. Nur weil ich von etwas überzeugt bin, sind das andere noch lange nicht. Es bedarf einer gemeinsamen Auseinandersetzung mit dem Thema und Raum für Diskussionen, Skepsis und Austausch.

Bringen Sie Agilität mit diesen drei Modellen in Ihr Unternehmen

Im Laufe meiner Beraterinnen-Tätigkeit habe ich verschiedene Vorgehensweisen zur Implementierung von Agilität beobachtet oder begleitet. Ihr Erfolg steht und fällt mit der Reife und dem Willen einer Organisation:

  • Wie stehen Entscheider:innen hinter dem Thema Agilität?
  • Wie viel Raum bekommen Mitarbeitende für das Ausprobieren agiler Praktiken?
  • Werden agile Werte wirklich gelebt oder existieren sie nur in Foliensätzen?

Es folgt mein persönliches Top 3 Ranking.

Platz #3: »Agile Transformation durch agile Führung & Aufbau einer Community« oder »Der Top-Down Ansatz«

Maßgeblich entscheidend für die Etablierung agiler Strukturen innerhalb einer Organisation ist – wenig überraschend – das Management. Diese Entscheider:innen sind es, die Agilität innerhalb der (Transformations-)Strategie verankern, die Maßnahmen für Befähigung und Wachstum in die Wege leiten und diese steuern müssen. (Diese Grundvoraussetzung ist nicht nur Basis für den »Top-Down-Ansatz”, sondern ebenso für die beiden folgenden Vorgehensmodelle.)

Initial befähigt und mit dem richtigen Verständnis dafür, an welchen Stellen Agilität in der eigenen Organisation bereichernd wirken kann, erarbeiten wir in der Praxis gemeinsam mit dem Top-Management verschiedener Kunden eine Befähigungsstrategie für alle Führungskräfte. Diese werden dann bei der Transformation in ihre neuen Rollen als agile Führungskraft/agile Leader eng begleitet und on-the-job beraten.

Vielversprechend finde ich hier vor allem die Organisation einer »Community of Practice« dieser Führungskräfte, um sich regelmäßig über Herausforderungen, Methoden und Techniken austauschen zu können. Durch fortlaufende Impulse zu verschiedenen agilen Schwerpunktthemen und/oder Methoden festigen sich agile Denkweisen und Mechanismen agilen Handelns.

Erst in einem dritten Schritt werden die Mitarbeitenden, motiviert durch ihre agile Führungskraft, befähigt. Ihnen wird Raum gegeben und durch gezielte Schulungen zu Grundlagen der Agilität oder Scrum erhalten sie konkrete Werkzeuge zur Anwendung im eigenen Arbeits- oder Projektalltag.

Warum landet der »Top-Down-Ansatz« nur auf Platz 3?

Meiner Erfahrung nach scheitert es am häufigsten am richtigen Engagement und an der Zeit der Führungskräfte, sich dem Thema Agilität und agilem Führen vollumfänglich anzunehmen. Das »gefährliche Halbwissen«, was dann in Richtung der Mitarbeitenden transportiert wird, führt folglich zu Verunsicherung und fehlendem Verständnis für das »Warum« hinter der Einführung neuer Praktiken. Wenn Führungskräfte zusätzlich in Erklärungsnot geraten oder widersprüchliche Aussagen tätigen, scheitert die Transformation, bevor sie richtig begonnen hat.

Platz #2: »Transformation durch agile (Pilot-)Teams« oder »Die agile Zellen«

Versetzen wir uns nun in ein zweites mögliches Transformationsszenario: Die initiale Befähigung des Vorstandes/der Geschäftsführung ist abgeschlossen. Allen ist klar, wohin die Reise gehen soll und an welchen Stellen Agilität wirken kann und darf.

In einem zweiten Schritt begeben wir uns auf die Suche nach Pilotprojekten oder -abteilungen, in denen agile Vorgehensweisen wie Kanban oder Scrum erprobt werden können.

  • Welche Themen lassen sich autark vom Alltagsgeschäft in agiler Vorgehensweise gut umsetzen?
  • Welche Mitarbeitenden können in Rollen wie Product Owner oder Scrum Master hineinwachsen?
  • Und wie schaffen wir dem Pilotteam genug Freiraum für das Ausprobieren und Erleben einer agilen Denk- und Arbeitsweise?

Ist ein passender Pilot gefunden, startet die »agile Zelle« mit der Zusammenarbeit. Sie wird befähigt – entweder sehr allgemeingültig für agiles Arbeiten generell oder sehr konkret in einem agilen Framework wie beispielsweise Scrum – und nimmt ihre Arbeit am Produkt auf. Gerade dann, wenn die richtigen agilen Werkzeuge oder ganze Vorgehensmodelle für das Team etabliert werden sollen, empfiehlt sich die Begleitung durch einen erfahrenen Agile Coach oder Scrum Master. Aus meiner Sicht sollte diese Begleitung jedoch im Sinne des Train-the-Trainer-Gedankens sukzessive an interne Wissensträger:innen weitergegeben werden, denn nur so verankert sich das agile Wissen direkt in der Organisation.

Warum die »agilen Zellen« nicht auf Platz 1 sind?

Bei keinem anderen der drei Vorgehensmodelle sind die Rahmenbedingungen so maßgeblich entscheidend für den Erfolg, wie bei der »agilen Zelle«. Anders als in Start-ups schaffen es Organisationen in den allermeisten Fällen nicht, ihren Zellen den Raum für wirklich agile Produktentwicklung/Projektarbeit zu geben. So untergraben Stakeholder und Auftraggeber:innen die Entscheidungsgewalt des Product Owners eines Scrum Teams, so werden Teammitglieder des agilen Teams mit Aufgaben ihrer Linienführungskraft überhäuft und müssen sich zerreißen.

Deswegen lautet mein Fazit: Nur wer eine »agile Zelle« autark genug vom Rest des Unternehmens züchten kann, wird mit diesem Ansatz erfolgreich sein!

Platz #1: »Agile Impulse & Aufbau agiler Multiplikator:innen« oder »Das agile Netzwerk«

Ein dritter Weg, der mir in den letzten Jahren begegnet ist, setzt auf die intrinsische Motivation und das ehrliche Interesse von Mitarbeitenden. Ausgangspunkt und Erfolgsfaktor Nr. 1 ist auch hier, dass das Top-Management die Notwendigkeit und Ansatzpunkte für eine agile Transformation versteht und vollumfänglich unterstützt.

In einem ersten Schritt werden die Mitarbeitenden dazu aufgerufen, sich aktiv an der Veränderung zu beteiligen. Durch verschiedene Impulse zu neuen, agilen Methoden in verschiedenen Abteilungen und Teams werden immer mehr Mitarbeitende neugierig gemacht. Vielleicht nutzt der ein oder die andere schon jetzt ein Kanban-Board für die Strukturierung des eigenen Arbeitsalltags? Vielleicht hat jemand Erfahrungen mit der Scrum-Methodik bei einem früheren Arbeitgeber sammeln können? Eben diese Erfahrungen teilen die Mitarbeitenden im Rahmen ihres Multiplikator:innen-Netzwerks miteinander und beginnen so, sich nach und nach als Teil der Transformation in der Organisation zu begreifen.

Sukzessive gestalten sie Formate für weitere Kolleg:innen/Abteilungen/Projektteams und geben ihr Wissen und die Motivation für Veränderung weiter. Das Netzwerk wächst organisch – sofern es den Raum des Managements bekommt. Die Erfahrung zeigt, dass der Zusammenschluss motivierter und veränderungsoffener Personen Ideen und Formate kreiert, die »Top-Down-Ansatz« niemals funktionieren würden – von Mitarbeitenden für Mitarbeitende. Die Multiplikator:innen finden die richtigen Worte, teilen Sorgen und Ängste und berichten direkt aus ihrem eigenen (Arbeits-)Alltag. Sie schaffen Nähe und Verbundenheit innerhalb der Organisation und etablieren sich als Ansprechpartner:innen abseits von Führungskräften oder Vertrauensleuten.

Genau aus diesen genannten Gründen platziert sich dieses Vorgehen in meinem Ranking an erster Stelle. Veränderung wirkt dort am meisten, wo sie von Mitarbeitenden verstanden, getragen und weiterentwickelt wird.

Was in der Theorie funktioniert, setzt in der Praxis viel Mut und die Lust auf etwas Neues voraus. Mit dem richtigen Rahmen kann das Vorhaben gelingen – aller Anfang muss nicht schwer sein. 🙂

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